Die Sekundärlufteinblasung (SLE) beim R170 FL 4-Zylinder (geschrieben von SLK-M am 09.02.2019)
Die Sekundärlufteinblasung (SLE) beim R170 FL 4-Zylinder
Oft ist diese Wirkungskette in Verdacht eine brennende Motorkontrollleuchte oder Probleme im Fahrbetrieb zu bescheren.
Hier eine kleine Übersicht der Sekundärlufteinblasung, deren Funktion und der beteiligten Komponenten speziell beim R170
FL mit Kompressormotor.
Die allgemein verwendete Sekundärlufteinblasung ist auf verschiedenen Internetseiten hinreichend beschreiben und mit
schematischen Darstellungen erklärt. Sie dient der Schadstoffreduzierung und durch sie werden höhere Abgasnormen erreicht.
PreFL-Kompressor-Modelle haben dies ab `98 (man erzielte somit D3). PreFL-Modelle arbeiten nach dem demselben Prinzip,
unterscheiden sich aber in der Steuerung und dem Packaging grundlegend und sind hier nicht Teil der Betrachtung.
Bei Motoren ohne Kompressor wird die zusätzlich benötige Luftmenge über eine elektrische Pumpe bereitgestellt. Beim R170
übernimmt dies der Kompressor im Zusammenspiel mit der Umluftklappe.
Zur Klarstellung: Es handelt sich hier nicht um eine Abgasrückführung! Die gibt es beim R170 FL-Kompressor nicht.
Generell sei gesagt das es sich hier um meine Erfahrung und meinen Kenntnisstand handelt. Verbesserungen und Korrekturen
sind erwünscht.
Die Bilder in diesem Beitrag sind von mir, eines von einem Beitrag aus dem Forum MBSLK.de (User Siwy51, s. unten).
Funktion / Zweck
Nach Kaltstart muss der Katalysator möglichst schnell auf eine minimal notwendige (nicht optimale) Betriebstemperatur
von ca. 250 °C gebracht werden. Dies wird technisch zum einen über eine KAT-Heizung mittels Heizwendel, zum anderen wie
hier beim R170 über die Sekundärlufteinblasung erzielt. „Sekundärluft“ ist zusätzliche Luft welche, nicht beteiligt an
der Verbrennung, der Auspuffanlage vor dem Krümmer „sekundär“ zugeführt - sprich direkt „eingeblasen“ - wird.
Unverbrannte/überschüssige Kohlenwasserstoffe (entstanden durch das fette Gemisch beim Kaltstart) reagieren hierbei
mit Luftsauerstoff exotherm - sprich es wird Wärme abgegeben.
Vorteile:
- Die schädlichen Kohlenwasserstoffe werden in CO2 und Wasser umgewandelt.
- Das Abgas, der Katalysator sowie die Lambdasonden heizen schneller auf und die Schadstoffreduzierung wird somit schneller sichergestellt.
Prinzipielles Verhalten beim Kaltstart aus Sicht des R170-Fahrers
Durch die zusätzliche Luftmenge, welche dem Auspuff direkt zugeführt wird, ist der Klang des Motors und der Abgasanlage
irritierend laut und ruppig. Nach 30 bis 50 Sekunden schaltet die Regelung schrittweise ab und der Motor läuft dann mit
der üblichen Klangkulisse. Schäden an der Abgasanlage oder dem Kat „können“ ggf. verstärkt erkennbar sein, „falls vorhanden“.
Die Klangkulisse ändert sich hier und da und muss nicht immer gleich intensiv sein. Ein typisches Kompressorheulen beim
Fahren ist in der Phase nicht selten (verursacht durch akustische Effekte des Kompressors und der Umluftklappe beim
Luftfilter). Ein Ruckeln auf den ersten 200-300 Metern ist (gemäß Erfahrungen wohl auch temperaturabhängig) keine
Seltenheit und nicht besorgniserregend solange dies schlagartig aufhört nach der Beendigung der Lufteinblasung. Wurde
das Fahrzeug nur wenige Stunden abgestellt erfolgt keine erneute Einblasungs-Arie. Bei meinem CLK 208 mit gleichem
Motor (230K Evo) ist zwar das Heulen, aber nicht das Ruckeln gegeben. Die ältere Steuerung (auch mit abweichendem K40)
ist also vermutlich einiges besser – meine Meinung.
Steuerprinzip und Komponenten
Die Kaltstartphase erfolgt aufgrund der niedrigen Temperaturen ohne Lambdaregelung, das heißt es werden feste Kennfelder
zur Gemischaufbereitung benutzt. Hierdurch sind mangels Regelung stellenweise die o.g. Ruckler oder Leistungseinbußen auf
den ersten paar hundert Metern zu erkennen (müssen aber nicht).
Die Umluftklappe (ULK) (A1110980109) beim Luftfilter macht nach Start per Steuerung direkt zu und der komplette
Ladeluftstrom wird über den Ladeluftkühler Richtung Drosselklappe (DK) geschickt (prinzipiell wie beim beschleunigen
im Fahrbetrieb).
Foto: Umluftklappe nach Entfernen des Luftfilterdeckels
Der Ladeluftstrom wird dann nach dem Luftmassenmesser und vor der Drosselklappe aufgeteilt. Ein Teil der Ladeluft wird
dem Motor zur Verbrennung zugeführt, ein anderer Teil wird zur Einblasung abgezweigt. Die Steuerung erfolgt durch
Zeitvorgabe. Das Beschleunigen wird rein über die Drosselklappe gesteuert. Die Überwachung des Sauerstoffgehaltes im Abgas
erfolgt über die Lambdasonde, sobald diese Werte an das Steuergerät liefert. Bei einigen Systemen wird auch während des
Warmbetriebes im Leerlauf die Sekundärluft eingespeist und das Sondensignal auf Magerspannung überprüft (was ich hier
nicht 100% weiß, würde aber erklären das die Lampe hier und da erst bei warmen Motor aufleuchtete).
Vor der Drosselklappe ist demnach ein Stutzen welcher zum Sekundärlufteinblaseventil (A0021405560) führt. Dieses öffnet
den Durchgang für die Luft und ist nach der SLE-Phase geschlossen.
Foto: Anordnung der Ventile im Motorraum
Das SLE-Ventil hat eine Membran, welche durch Unterdruck einen Stößel öffnet und somit den Durchfluss aktiviert.
Gesteuert wird das SLE-Ventil über ein elektrisches Umschaltventil (A0025401497).
Foto: Umschaltventil mit Belegung der Anschlüsse (Bild Siwy51)
An diesem liegen
1) Überdruck durch einen Schlauch zum Ansaugrohr vor der Drosselklappe,
2) Unterdruck durch einen Schlauch zur Ansaugbrücke (Sammler) und
3) eine Steuerleitung zum SLE-Ventil an.
In der SLE-Phase schaltet das Umschaltventil Durchgang 2 frei und erzeugt über die Steuerleitung 3 den Unterdruck am
SLE-Ventil. Dieses öffnet somit und lässt die Sekundärluft durch.
Nach Beendigung der Phase schaltet das Umschaltventil auf Durchgang 1 (Überdruck), das SLE-Ventil schließt und der
Luftstrom ist gesperrt. Die Umluftklappe geht per Steuerung ein Stück weit auf (gemäß Fahrbetrieb), die Lambdaregelung
greift und die SLE-Phase ist beendet.
Ein Öffnen des SLE-Ventils bzw. ein Durchlass im Fahrbetrieb bei erhöhtem Ladedruck ;-) ist auszuschließen, da ständig
der Druck des Ansaugrohres am SLE-Ventil anliegt. Erhöht man diesen, erhöht sich auch der Sperrdruck am Ventil.
Nach dem SLE-Ventil ist ein Rückschlagventil (A0021406860) geschaltet. Dies soll das SLE-Ventil sowie den Ansaugtrakt
vor Abgasen schützen sowie Druckspitzen verhindern. Das Ventil verkokt/verdreckt recht schnell und lässt nach ca. einem
Jahr die Luft wieder in beide Richtungen durch. Einschränkungen im Fahrbetrieb sind aber erst mal nicht erkennbar, zumal
das SLE-Ventil ein Durchschlagen des Abgases verhindert (da im Fahrbetrieb geschlossen). Das Rückschlagventil sitzt hinter
dem Kopf fahrerseitig und mündet in ein Aluminiumrohr (A1111403612), welches die Sekundärluft um den Motor zum Zylinderkopf
beim Krümmer führt. Ein Tausch des Rückschlagventils ist etwas fummelig, da man einen abgeflachten 27er-Krähenfuss und etwas
Geduld und Glück braucht (es sitzt bombenfest).
Foto: SLE-Ventil, abgeflachter Krähenfuss im Eigenschliff, Rückschlagventil (Unterseite)
Fehlersuche / Überprüfung
Fehler sind typischerweise mit P04XX geschlüsselt. Demzufolge ist rein faktisch die dem Abgas zugeführte Luftmenge nicht
ausreichend oder ggf. sogar im Fahrbetrieb vorhanden (s. „Weiteres“).
Umluftklappe
Schließt diese nicht beim Kaltstart wird die benötigte Luftmenge nicht bereitgestellt, da die Luft teilweise über den
Dämpfer wieder zum Kompressor zurückgeführt wird (gemäß der normalen Regelung im Fahrbetrieb).
Man kann also den Luftfilterdeckel abmachen, die Zündung einschalten und den obligatorischen automatischen Anlernvorgang
der Klappe besichtigen (nach ca. 20 Sekunden fährt die Klappe immer!!! die Endpositionen ab, Drosselklappe dito). Ebenfalls
ist der Anlernprozess durch ein Klacken an der Klappe zu hören. Im zweiten Schritt kann man den Motor starten und schauen
ob die Klappe schließt und sich nach und nach öffnet (bis ca. 50 Sekunden). Ist dies der Fall funktioniert die Klappe und
wird auch korrekt angesteuert. Ein Fehler der Klappe würde sich zudem im Fahrbetrieb deutlich durch einen Leistungsverlust
bemerkbar machen.
Sollte die Umluftklappe nicht funktionieren kann es neben selbiger an der Endhülse Z 7/27 = Klemme 87E im Kabelbaum liegen. Angeblich besteht das Problem nur bis Baujahr KW31/2001.
Umschaltventil
Schaltet das Umschaltventil nicht korrekt zwischen Über- und Unterdruck um wird natürlich auch ein Fehler verursacht,
da das SLE-Ventil nicht öffnet. Hier nimmt man den Steuerschlauch zum SLE-Ventil ab und startet den Motor. In der SLE-Phase
sollte dort Unterdruck zu spüren sein, danach Überdruck. Ist dies nicht der Fall ist das Umschaltventil der Verursacher.
Selbstverständlich müssen die 3 Unterdruckschläuche überprüft werden.
SLE-Ventil
Man kann das SLE-Ventil auf der Auslaßseite lösen und den Wagen Kalt starten. Dann ist der Luftstrom deutlich zu erkennen.
Weiterhin kann man es recht einfach ausbauen und auf Zustand prüfen: Mittels einer Spritze mit Schlauch Unterdruck auf
den Steueranschluss geben. Dann sollte man einfach durchblasen können. Nach der SLE-Phase darf absolut keine Luft durchkommen.
Säubern mit Bremsenreiniger ist ein Versuch wert.
Rückschlagventil
Ist dieses zugesetzt erfolgt demnach kein Durchlass der Sekundärluft. „Etwas“ Reiniger (Ballistol z.B.) könnte das Problem
ggf. lösen bevor es zum Ausbau kommen muss. Ansonsten kann man zum Test einen Schlauch draufstecken (oder sich hinbeugen)
und sollte nur durch Atmen ohne Druck und Widerstand Luft durchblasen können.
Die Verbindung des Rohres am Zylinderkopf
Die Luft wird wie erwähnt in den Kopf geblasen. Die Anbindung des Rohres erfolgt über eine Hohlschraube (N915036018103)
mit Dichtung unterhalb des Krümmers. Ist dort was zugesetzt oder ein Riss kommt es ggf. zum Fehler. Kann man allerdings
in das Rückschlagventil pusten ist der Weg wahrscheinlich frei. Risse/Undichtigkeiten erkennt man dort durch Ruß. Schäden
sind hier aber eher selten.
Weiteres
Selbstverständlich kann auch durch nicht korrekt arbeitende Lambdasonden oder ein allzu fettes Gemisch ein Missverhältnis
der Luft im Abgas entstehen und zur Fehlermeldung führen.
Weiterhin bringt eine teilweise oder komplette Öffnung des SLE-Ventils im Fahrbetrieb unweigerlich eine Magererkennung der
Lambdasonde mit allen Konsequenzen. Dies führt aber zu weit hier, sollte aber immer bedacht werden wenn Falschluft im Spiel
sein könnte.
Eine nicht korrekt adaptierte oder fehlerhafte Drosselklappe beeinflusst ebenfalls den Luftstrom (bzw. dessen Aufteilung
beider SLE).
Die Livedaten sollten warm im Leerlauf etwa folgende Werten zeigen:
- Einspritzzeit: 2-2,5 ms
- Sondenspannung vor Kat: Wechselnd zwischen 100-900 mV
- Sondenspannung nach Kat: fest bei max. 650 mV (nicht schwankend, dann ist ggf. der Kat hinüber)
Kandidat Nummer 1 bei Problemen im Fahrbetrieb bzw. der Abgaszusammensetzung ist natürlich immer der Luftmengenmesser.
Auch der Drucksensor für die Atmosphäre sowie der des Ansaugdruckes (nur beim FL und beide baugleich) können einen Fehler
kreieren.
ODB2-Fehler auslesen/löschen geht recht einfach mit einem 16PIN-BT-Interface ELM 327 und einer Free-App oder mittels
Geräten wie z.B. Icarsoft. Es muss bei der ECU nicht unbedingt SD sein.
Ich hoffe es hilft hier und da bei der Fehlersuche.
Links zum Thema
Steuerdruck des SLE-Ventils: -- hier klicken (Link zu mbslk)
Ausbau Umluftklappe: -- hier klicken (Link zu mbslk)
Video - Luftstrom am SLE-Ventil: -- hier klicken (Link zu Youtube)
Z-Hülse der ULK-Steuerung: -- hier klicken (Link zu mbslk)
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