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Klatsch und Tratsch » » Thema: Flugzeugunglück mit zweistrahligem Jet |
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Beitrag von:
User existiert nicht mehr bei MBSLK.de | Geschrieben am 21.08.2008 um 07:29 Uhr  
| Hallo,
mal eine Frage an die Piloten und Flugzeugtechnik Fachleute hier im Forum, hat eine zweistrahlige Maschine überhaupt die Chance, heil abzuheben bei Ausfall eines Triebwerks in der späten Startphase, oder endet so etwas zwangsläufig mit einem Crash? Können vollbeladene, vierstrahlige Flugzeuge mit drei intakten Triebwerken starten?
Vor vielen Jahren hatte ich mal das Erlebnis, das es zwei Stunden Startverzögerung bei einem Flug der Air France mit einer alten zweistrahligen DC-? gab., In diesen beiden Stunden versuchten die Techniker -unter den Augen der Fluggäste- das extreme, schwarze Qualmen eines der Triebwerke zu beheben. Irgendwann bekam der ganz offensichtlich immer noch defekte Flieger dann doch eine Startfreigabe und startete mit einseitiger, enormer Rauchentwicklung. Mein Eindruck war, dass die Piloten das defekte Triebwerk dann während des Fluges ganz oder fast ganz abgeschaltet haben. Die Maschine wurde dennoch bis zum Bestimmungsflughafen geflogen.
Gruß,
Dieter | Antworten
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Beitrag von:
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Schreiberlevel: Forenoberprimaner
Beiträge: 526
User seit vor Apr. 03
| Geschrieben am 21.08.2008 um 09:35 Uhr  
| Hallo Dieter,
Bin zwar kein Pilot, aber lizensierter Flugzeugstromer.
Ein zweistrahliges Flugzeug kann theoretisch mit einem Motor starten. NUR, wenn z.B. nicht optimale Windverhältnisse herrschen oder der Runway eher knapp von der Länge ist, dann kann es böse ausgehen.
Das mit dem Rumschrauben vor dem Start ist halt so eine Sache. Manchmal lässt es sich nicht vermeiden, muss aber nicht heissen, dass gepfuscht wird und es gefährlich wird. Es kann immer was kaputt gehen. Und Verspätungen jeglicher art sind schlecht für die Passagiere und die Statistiken der Airlines. Also wird halt immer versucht, bis zur letzten Minute das Flugzeug in die Luft zu schicken.
Trotz allen Vorschriften und Gesetze die eingehalten werden müssen, kanns halt leider zu traurigen Zwischenfällen kommen.
Marco
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Beitrag von:
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Schreiberlevel: Diplomforenuser
Beiträge: 1331
User seit 16.02.2001
| Geschrieben am 21.08.2008 um 10:11 Uhr  
| Hallo Dieter.
Bin zwar auch kein Pilot, aber einer meiner Tauchkumpel war Berufspilot und hat zuletzt DC 10 auf Fernstrecken geflogen, dann ist er in Rente gegangen.
Er hat mir gesagt, dass er nie und nimmer mit einem zweistrahligen Jet eine Tour über den großen Teich machen würde. Theoretisch wäre bei einem Ausfall eines Triebwerks natürlich noch alles möglich, aber wahrscheinlich immer nur dann, wenn alle anderen Gegebenheiten maximal positiv wären.
Aber wir haben ja auch einige Piloten im Forum, vielleicht äußert sich mal einer.
Grüße von Jürgen aus dem Erftkreis
--
Was uns nicht umbringt macht uns nur härter. | Antworten
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Beitrag von:
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Schreiberlevel: Forenunterprimaner
Beiträge: 406
User seit 17.02.2008
| Geschrieben am 21.08.2008 um 12:33 Uhr  
| hallo zusammen,
keine Angst vor "Twinjets", also Airlinern mit "nur" zwei Triebwerken. Die zur Verfügung stehende Leistung EINES Triebwerkes reicht selbstvertständlich aus, um regulär zu starten und einen stabilisierten (Steig)Flug durchzuführen.
Regulär wird die benötigte (Start)Leistung im Zuge des Preflight Briefings unter Berücksichtigung der Lastfaktoren präzise ermittelt: Startgewicht, Wetter/Temperatureinflüsse, Pistenlänge und Neigung, sowie Gradienten der Abflugroute.
Infolge der "Übermotorisierung" errechnet man somit durchweg ein Derated Takeoff, bei dem die Antriebe nur mit reduzierter Leistung arbeiten müssen und stets ernorme Reserven vorhanden sind.
Es gibt sogesehen einige kritische Phasen:
V1 Speed bedeutet die Beschleunigung am Boden, eine Entscheidungsgrenze, bis zu der ein Startlauf abgebrochen werden kann und die dann verbleibende Restlänge der Runway ausreicht, um dort bis zum Stillstand abzubremsen. Je nach Startgewicht und Bedingungen liegt diese z.B. bei 140kts (ca. 250kmh).
Es folgt dann die Bezeichnung Vr, also der Moment, wo man als Pilot die "Nase" der Maschine hochnimmt. Kurz danach folgt dann der Lift Off.
Ab diesem Moment muß der Start durchgezogen werden, weil die nun verbleibenden Restlänge der Piste keinen ausreichenden Stoppweg mehr bietet.
Anschließend folgt die Speedmarke V2, bei der die Maschine regulär fliegt und Höhe gewinnt, bzw. geplant Fahrt aufnimmt. Je nach Fluggerät und Last mit ca. 15° "nach oben".
Fällt in solch krtitischen Momenten ein Antrieb plötzlich aus, ergibt sich folgendes: Die Maschine giert in Richtung des ausgefallenen Triebwerkes. Diese Bewegung wird sofort und angemessen durch betätigen des Seitenruders ausgeglichen.
Desweiteren wird nun die Leistung des verbliebenen Antriebs über das zuvor reduzierte Maß hinaus erhöht, z.B. auf max continued thrust. Infolge der "Übermotorisierung" von Twinjets leistet somit nur ein Triebwerk soviel, als zuvor beide Antriebe reduziert leisteten.
Es folgt ein dafür geplanter Steigflug mit allerdings etwas verringertem Pitch Up, z.B. "nur noch" 7,5° nach oben. Das Flugzeug wird somit auch beschleunigen und innerhalb der Flugpfade projektiert an Höhe gewinnen.
Erst mit erreichen eines stabilisierten Fluges wird das gestörte Triebwerk separiert (abgeschaltet).
Jede Art von Störung bewirkt dann den Abbruch des geplanten Fluges, welcher dann mit einer nachfolgenden Landung beendet wird.
Die Durchführung solcher Non Normal Prozeduren gehören zum elementaren Handwerk der Flightcrew und sind auch stets Hauptbestandteil regelmäßiger Trainings+Checkflights.
Eine zweite "Problematik" ergibt sich bei Triebwerksausfall im Reiseflug in großen Höhen. Auf Grund dortiger geringer Sauerstoffanteile muß i.d.R. dike Reiseflughöhe reduziert werden, was durch einen gemütlichen Sinkflug (drift down) erfolgt. Zum Beispiel von Flightlevel 410 (41000ft) geht es mit geringer Sinkrate (z.B. 1100ft/min) runter auf nur noch FL 290 (29000ft).
Das verbleibende Triebwerk setzt man in der Leistung auf maximum continued thrust. In der nun dichteren Atmosphäre gibt der Antrieb als Bonbon mehr Leistung ab und es kann bis zum ETOPs-Limit (z.B. 180min) ein geeigneter Airport für eine Sicherheitslandung absolviert werden.
Insgesamt besteht heutzutage also kein Grund, Flugzeugen mit "nur" zwei Antrieben zu mißtrauen.
Warum dann also überhaupt noch vier Triebwerke? Das liegt im Prinzip an der wirtschaftlichen Betrachtung. Zum Einen können sehr große (schwere) Maschinen bei nur 2 Antrieben nicht genug (Reserve) Leistung haben.
Die stärksten Jetengines der zivilen Luftfahrt werden in der zweistrahligen Boeing B777 verwendet und, sozusagen baugleich, vier solcher Dödel im Airbus 380.
Die Sache ist ein wichtiger Aspekt im Bezug auf die Kosten. Bis zu 45% des Neuflugzeugpreises gehen alleine zu Lasten der Triebwerke. Insofern muß also Nutzen/Größe/Einnahmen durch Payload in Relation zu den Einsatzbereichen stehen.
Flugzeuge mit vier Antrieben erfordern enorm höhere Flugstundenkosten, haben aber den Vorteil, dass ihre Flugroute frei sind von ETOPS Limits.
Denn diese Regel besagt, dass zweistrahlige Flugzeuge -je nach Betreiber+Baumuster ihren Flugroute so zu planen haben, dass aus jeder Position heraus ein geeigneter Landeplatz innerhalb von z.B. 180Minuten erreicht werden muß. Also ein "handycup" beim Überfliegen von Ozeanen oder Wüsten...
Daraus resultieren dann eben ggf. keine "gradlinigen" Flugroute direkt zum Ziel, sondern flugverlängernde Umwege. Was wiederum erhöhten Triebstoffvorrat oder verringerte Payload bewirkt, bzw. längere Blockzeiten.
Inwieweit diese Fakten für den Betreiber (Airline) maßgeblich sind, zeigt die Vielfalt der eingesetzten unterschiedlichen Flugzeugmuster.
happy landings
Peter
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User seit vor Apr. 03
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Beitrag von:
User existiert nicht mehr bei MBSLK.de | Geschrieben am 21.08.2008 um 15:12 Uhr  
| Hallo Peter,
vielen Dank für die ausführliche Erläuterung! Fragt man sich als Laie, wie dann solche Unglücke wie in Madrid (da scheint ja wohl irgendwie beim Start ein Triebwerk ausgefallen zu sein) passieren können.
Btw., wenn so etwas tatsächlich passiert, ist das Hochfahren des verbleibenden Triebwerkes in jedem Fall überhaupt hinreichend schnell möglich?
Viele Grüße,
Dieter | Antworten
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User seit 24.03.2008
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Beiträge: 406
User seit 17.02.2008
| Geschrieben am 21.08.2008 um 16:28 Uhr  
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dieterhoehn schrieb:
Hallo Peter,
vielen Dank für die ausführliche Erläuterung! Fragt man sich als Laie, wie dann solche Unglücke wie in Madrid (da scheint ja wohl irgendwie beim Start ein Triebwerk ausgefallen zu sein) passieren können.
Btw., wenn so etwas tatsächlich passiert, ist das Hochfahren des verbleibenden Triebwerkes in jedem Fall überhaupt hinreichend schnell möglich?
Viele Grüße,
Dieter
hallo Dieter,
das Elend an der Sensationsgier der Presse ist ja leider immer: ich weiß nix und du weißt nix, und daraus machen wir nun abendfüllende Dokus. Hauptsache, das Blut spritzt hoch genug an die Wand....
soll heißen:
abgesehen von den Fakten, dass eine MD80 in Madrid schwer verunfallte und furchtbare Opferzahlen offenbart werden, weiß kein Insider etwas über die Ursache.
Nicht umsonst gibt es staatliche Flugunfalluntersuchungskomissionen, deren akribische Detailarbeit erst nach Wochen oder Monaten Ursache und Wirkung aufdeckt. Bis dahin halten sich i.d.R. Airlinepiloten raus aus öffentliche Diskussionen über mögliche Absturzursachen. Wohl wissend, wie groß das Spektrum solcher Umstände sein kann. Vermutungen bestehen hier aber bereits.......
In der Tat besteht eine Verzögerungszeit beim "hochfahren" der Jetengines (spool up), salopp gesagt wie das Turboloch beim 4 Taktverbrennungsmotor.
Dieses Zeitfenster ist abhängig von der Triebwerksgröße (bewegte Masse) und von der aktuellen Ausgangsleistung zum Zeitpunkt des "hochfahrens".
Sie ist größer vom Idle (Leerlauf) auf Takeoff-Power (Startleistung), als von dieser auf max. Thrust.
happy landings
Peter
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Schreiberlevel: Forendoppeldoktor
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User seit 03.09.2006
| Geschrieben am 22.08.2008 um 20:04 Uhr  
| Hallo Peter
Erst mal ein Dankeschön für die interessante Erklärung des Sachverhalts.
Mir geht es auch immer auf den Keks, wenn bei RTL oder Konsorten die Vermutungen als Wahrheiten verkauft werden. Dazu noch die Kommentare eines sog. Sachverständigen, also ein Redakteur der weiss, wie man Flugzeug schreibt.
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------ mike -------
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